besondere Exponate
- die eine Geschichte erzählen -
2020
Rudolf Hermes spendet Chefsessel
- der Sessel ist im Westflügel zu finden -
Das Telefon klingelt. Rudolf Hermes, unser Kreistagsabgeordneter ist in der Leitung. Ob wir, die Museumsfreunde, einen Bürostuhl von ihm für das Museum geschenkt haben wollte, so fragte er. Stirnrunzeln, Skepsis. Was sollte das Museum mit einem solchen Stuhl? Erst einmal ansehen, das war die nächste Reaktion. Bei näherem Betrachten stellte sich die Angelegenheit doch anders dar. Es war ein besonderes Möbel, aus Eiche, lederbezogen, voller Schnitzereien und anderen Besonderheiten, wie die Besichtigung ergab. Der Stuhl, eher ein Sessel, hatte fast 40 Jahre im Foyer der Steuerberaterkanzlei von Herrn Hermes gestanden, nun nach der Aufgabe des Büros sollte er eine neue Heimat im Museum finden.
Hier die Geschichte:
Sie beginnt im Jahre 1833. Das Herzogtum Braunschweig ordnete damals seine Verwaltung neu. In dem genannten Jahre wurde Gandersheim einer von fünf Kreissitzen im Herzogtum. Diese Tatsache beflügelte auch den 1803 in Goslar geborenen Friedrich Hertel, einem gelernten Buchdrucker, in der Kreisstadt Gandersheim eine Buchdruckerei zu eröffnen, denn auch in der Umgebung gab es eine solche Druckerei nicht. In der Kreistadt Gandersheim wuchs die Bevölkerung.Viele Beamte zogen hierher, das versprach gute Geschäfte. Das Gesuch von Hertel wurde positiv beschieden, desgleichen die Bitte, die Herausgabe eines Wochenblattes zu erlauben. Das war die Geburtsstunde des heutigen Gandersheimer Kreisblattes. 1871 starb dieser weitsichtige Bürger unserer Stadt. Sein Sohn Robert übernahm das Unternehmen, das 1903 nach dessen Tode an den gleichnamigen Sohn übertragen wurde. Nach erfolgreichen Jahrzehnten im ausgehenden 19. Jahrhundert kamen mit dem 1. Weltkrieg und den turbulenten Nachkriegszeiten schwere Jahre für die Firma.
Im Jahre 1933 gab es ein besonderes Jubiläum für das Unternehmen, es wurde 100 Jahre alt. Robert Hertel hatte 1921 geheiratet. Seine Frau Margarete, eine geborene Mühe, war ihm eine treue Helferin und hatte die Idee mit dem prunkvollen Chefsessel. Zum 100-jährigen Bestehen des Kreisblattes im Jahre 1933 schenkte sie ihrem Mann den Sessel. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sie das dekorative Möbelstück bei der heimischen Tischlerei Papenberg, Ecke Northeimer Straße/Neue Straße, anfertigen lassen. Denn, wie der Sohn des damaligen Besitzers der Tischlerei, bestätigte, befindet sich ein ähnlicher Stuhl im Besitz des Herrn Papenberg. Rückenlehne. Der Chefsessel trägt auf der prunkvollen, reich beschnitzten Rückenlehne die Daten 1833 und 1933 sowie die Initialen des Firmeninhabers RH (können auch gut für Rudolf Hermes gelten), eingerahmt von 2 geflügelten Adlern, die in ihren Fängen typische Buchdruckerwerkzeuge tragen. Die Enden der Armlehnen des Stuhles laufen als Greifvogelköpfe aus und auch die Eichenfüße des Stuhls sind motivisch gestaltet. Der Sessel ist sicher ein würdiges Geschenk gewesen und hat allen Chefs gute Dienste erwiesen.
Im Jahre 1949 starb Robert Hertel, der Enkel des Gründers der Druckerei. Seine Frau Margarete führte das Unternehmen weiter. Sie starb 1980, hatte sich aber schon vorher aus der Firma zurück gezogen und 1970 dem Verlagskaufmann Pawlak die Leitung des Betriebes übergeben und danach an ihn verkauft. Pawlak wiederum verließ den Verlag 1977, den dann ein Verband Südniedersächsischer Zeitungsverleger erwarb. Herr Pawlak übernahm auch den Chefsessel. Von ihm kaufte der Steuerberater Rudolf Hermes diesen im Jahre 1979 und ließ das inzwischen fast 50jährige Stück in Gehrenrode beim Antiquar Schmalz gründlich restaurieren und stellte ihn im Foyer seiner Steuerberaterpraxis in der Roswithastraße dekorativ auf, wo er zu bewundern war. Nun hat er im Westflügel des Stadtmuseum, als Geschenk von Rudolf Hermes, bei den dort ausgestellten Druckmaschinen seinen ihm gebührenden, würdigen Platz gefunden. Der Besucher wird entsprechende Informationen dazu und das Familienwappen der Fa. Hertel daneben finden.
Dieses inzwischen fast 90jährige Sitzmöbel erzählt ein Stück Gandersheimer Familien- und Firmengeschichte. Die Museumsfreunde danken dem großzügigen Spender.
Das Geheimnis des Gemäldes mit General Ludendorff
- zu finden in der Militariasammlung -
Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff (*geb. 9.April1865; gest. 20. Dezember 1937) war ein deutscher General im 1. Weltkrieg und Politiker. Bei bestimmten Kreises genoss er große Verehrung.
Hier die Geschichte:
In einem Gandersheimer Wohnzimmer trafen sich vor dem 2. Weltkrieg regelmäßig einige honorige männliche Einwohner aus Bad Gandersheim zum gemeinsamen Kartenspiel und Plausch. Die Gattin des Hauses war stets dabei und beschäftigte sich mit Handarbeiten. In dem Wohnzimmer hing unter anderem ein Bild des General Ludendorff, das der gandersheimer Maler Schünemann gemalt hatte.Nach einer gewissen Zeit, wenn es der Hausfrau langweilig wurde, verabschiedete sie sich und ging ins Bett. Das war der Zeitpunkt, an dem die Männerrunde zum gemütichen Teil des Abends überging und das Bild umdrehte.
Ich will ihrer Entdeckerneugier nicht zu sehr auf die Folter spannen und verhindern, dass Sie uns die Miltariasammlung "umpflügen".
Hier die geheime Rückseite:
1918
Ein Soldbuch geht um die halbe Welt.
- zu finden in der Sonderausstellung 1. WK -
Es geschah im Jahre 1918, der 1. Weltkrieg war fast zu Ende, da fand ein neuseeländischer Soldat (englischer Abstammung) einen 20-jährigen, schwer verwundeten deutschen Soldaten (Musketier). Der Deutsche hatte wohl nicht mehr lang zu leben. In dieser Situation drückte der Deutsche dem Kriegsgegner sein Soldbuch mit zwei Briefen in die Hand. Sprachlich werden die beide sich nicht verstanden haben. Aber auch so hat der Neuseeländer den Sinn der Handlung verstanden. Für den Neuseeländer war diese Geste eine Verpfichtung. Er nahm nach dem Tod des Deutschen und bei Kriegsende das Soldbuch mit nach Neuseeland und versuchte Angehörige in Deutschland über das Rote Kreuz zu finden. Vergebens. Die Briefe und der überwiegende Teil des Soldbuches waren in Deutscher-Kurrent-Schrift (Vorläufer von Süterlin) geschrieben und gab Rätsel auf.
Der Neuseeländer vererbte das Soldbuch an seinen Sohn und dieser wiederum an seinen Sohn.
Dieser Sohn nun machte um 2009 die Bekanntschaft mit einem nach Neuseeland ausgewanderten Deutschen namens Gernot Goex und bat diesen für ihn bzw. seinen verstorbenen Großvater Angehörige von Hermann Kelp, so hieß der Deutsche, ausfindig zu machen.
In lateinischen Buchstaben geschrieben konnte er den Wohnort Seboldshausen und den Namen Kelp lesen. Mehrere Telefonate zu Namensträgern "Kelp" in Seboldshausen stießen nur auf Unkenntnis. So, dem Internet sei Dank, bekamen die Museumsfreunde eine E-Mail von Herrn Goex mit der Bitte, ihm bei der Suche behilflich zu sein. Das erschien nicht schwer. Auf dem seboldshäuser Friedhof steht ein Gedenkstein mit den Namen der im 1. Weltkrieg Gefallenen. Darauf ist auch der Name "Hermann Kelp" eingemeißelt. Umfragen im Dorf gingen ins Leere. Erst die Recherche in den alten Kirchenbüchern lieferte das Ergebniss.
Da Hermann Kelp 20-jährig ohne direkte Nachkommen verstarb, haben seine Nachverwandten das Soldbuch dem Museum überlassen.
Hier die Beschreibung der Person Hermamann Kelp aus dem Soldbuch:
Geschirr des Kurhauses Herzog-Ludolfsbad
Ein Kurhaus, das es als solches nie gab und Geschirr, das nie für den hergestellten Zweck in Gebrauch ging.
Im Gandersheimer Kreisblatt vom 28. Nov. 1899 erschien eine Anzeige, die auf eine Versteigerung von Inventar des Herzog-Ludolfbades durch Rechtsanwalt Lungershausen hinwies, es ging um „Ausverkauf von Glas, Krystal und Porzellan im Bohlen`schen Concurse“
Was war geschen? Da die Finanzierung für die Fertigstellung des Neubaus des Herzog-Ludolfbades nicht mehr gesichert war, wurde das Bauvorhaben durch die Gläubiger gestoppt und im Jahre 1900 das Konkursverfahren gegen Bohlen eröffnet.
Bohlen hatte bereits vor Eröffnung des Kurhauses Tafelgeschirr, Tischwäsche und Vorhangstoff erworben.
Um die Schulden zu einem kleinen Teil decken zu können, wurde das Inventar versteigert. Das Geschirr mit der Aufschrift "Kurhaus Herzog-Ludolfsbad " wurde nie für seine vorbestimmten Zwecke benutzt. Vielmehr finden sich in vielen Privathaushalten noch div. Einzelstüke. Bohlen investierte in sein zum Scheitern verurteiltes Projekt 255.000 Mark. Das Konkursverfahren endete 1906 zwischen den Gläubigern und Bohlen mit einem Vergleich. Im Museum ist ein Tisch im Ostflügel mit dem Geschirr des glücklosen Bohlen und seinem Kurhaus, welches nie eröffnet wurde, gedeckt.
Das Biedermeierzimmer mit der Flötenuhr
Das Biedermeierzimmer, welches sich heute im Westflügel des Museums befindet, war ursprünglich im Eigentum der Gandersheimer Familie Brackebusch. Noch heute leben Nachkommen dieser Familie in Bad Gandersheim. Die Brackebuschs stammen ursprünglich aus Ellierode. Von dort übersiedelte der Tischlermeister Georg Brackebusch nach Gandersheim und gründete dort in der Neustadt eine eigene Tischlerei. 1914 konnte die Firma schon ihr 100jähriges Bestehen feiern. Georg Ludwig Brackebusch, sein Sohn, wurde besonders bekannt als Heimatforscher. 1815 geboren war er in Gandersheim in vielen Funktionen tätig z. B. als Kantor, Opfermann usw. Wo etwas los war, war er dabei, hielt Reden, legte den Grundstein der ehemaligen Zuckerfabrik , war Vorsitzender des legendären Gesangvereins Concordia und verkehrte mit so berühmten Zeitgenossen wie Hoffmann von Fallersleben oder Methfessel. Gandersheim ehrte ihn, indem die Stadt eine Straße nach ihm benannte. Gestorben ist er 1889. Bekannt ist auch sein Führer durch Gandersheim, erschienen 1903. Viele von uns kennen sicher noch das Beerdigungsunternehmen Brackebusch, ein Nachfolgebetrieb der erwähnten Tischlerei in der Neustadt. Frau Ursula Brackebusch führte dieses Unternehmen bis zu ihrem Tode. Sie war übrigens eine Schwester des Zwetschenkreugers Kaufel. Unser Museum kann auf die Familie Brackebusch besonders stolz sein, steht doch dort das Biedermeierzimmer der Brackebuschs. Es besteht aus einen Sofa, mehreren Sesseln und Stühlen sowie Tischen. Es sind gediegene Möbel aus Kirschbaumholz. Die Museumsfreunde haben diese Möbel aus der Biedermeierzeit fachmännisch restaurieren und mit passenden neuen Bezügen versehen lassen. Sie sind heute wieder Schmuckstücke des Museums. Auch ein Bild des ehemaligen Besitzers schmückt das Zimmer.
Prunkexemplar dieses Biedermeierzimmers ist aber eine wertvolle Flötenuhr. Diese Uhr wird in der Fachwelt auch als Orgeluhr bezeichnet. Unsere Uhr stammt ebenfalls aus der Zeit des Biedermeier, also aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Solche Uhren sind mechanische Uhren, die mit einer kleinen eingebauten aus Lippenpfeifen bestehenden Orgel kombiniert sind. Zu vorgegeben Zeiten erklingt ein Musikstück. Die Musik wird von einer Stiftwalze gesteuert. Die schöne Uhr im Biedermeierzimmer dürfte aus einer Werkstatt im Schwarzwald stammen. Das Werk kann durch die seitlichen Türen rechts und links vom Gehäuse betrachtet werden. Flötenuhren waren einst teure Luxusgegenstände und bildeten hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung und inneren komplexen Technik einen Glanzpunkt biedermeierlicher Wohnkultur. Schon nach 1870 jedoch kamen sie aus der Mode, danach wurden praktisch keine solchen Uhren mehr hergestellt. Berühmte Musiker wie Mozart, Haydn, Bach und viele andere Komponisten schrieben Stücke extra für Flötenuhren. Die Flötenuhr in unserem Museum wird von einem Seilzugwerk mit Gewichten angetrieben. Das Gehäuse dürfte passend zu dem Möbeln aus Kirschbaumholz sein sein. Die Gewichte bewegen einen Blasebalg, der sich jeweils mit Luft füllt bzw. bei der Abwärtsbewegung die Luft in die Pfeifen drückt, wo die Töne entstehen.
Als die Museumsfreunde die Uhr vor fast 20 Jahren in Augenschein nahmen, war sie nicht spielfähig und musste restauriert werden. Es bedurfte vieler Mühen, für die Wiederinstandsetzung eines so alten Instrumentes einen entsprechenden Fachmann zu finden. Zunächst arbeitete ein Restaurator aus Gehrenrode das Gehäuse auf. Ein Uhrmacher aus Hildesheim kümmerte sich um das Uhrwerk und ein Spezialist für Spieluhren aus der Region Hannover setzte das Orgel- und Pfeifenwerk wieder instand. Gegen einen hohen vierstelligen Betrag wurde die Uhr somit wieder in den derzeitigen spielfähigen Zustand versetzt. Damals hat sich Museumsfreund Wolfgang Ernst sehr um diese Uhr verdient gemacht. Er hat sie über Jahre gehütet wie seinen Augapfel. Bei Bedarf hat er das Werk aufgezogen, und dann konnten die Besucher die Uhr bzw. die Musik genießen. Sie ist aber wegen ihres Alters sehr empfindlich und sollte zur Schonung der Einbauten nicht allzu oft gespielt werden. Um aber den Besuchern des Museums dennoch eine Vorstellung vom Klang der Uhr zu geben, haben die Museumsfreunde die Flötenmusik auf einen Tonträger aufgenommen und diese Konserve kann auf Knopfdruck abgespielt werden. Man hört die Musik und sieht die Uhr. Ein vertretbarer Kompromiss. Derzeit wird der Einbau dieser Maßnahme vorbereitet. Die Museumsfreunde hoffen, dass das gediegene Biedermeierzimmer mit seiner wertvollen Flötenuhr noch von vielen Besuchern angesehen wird.